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Ich bin in der Westhälfte Deutschlands aufgewachsen. Die Teilung war für mich 40 Jahre Realität. Zwei Deutschlands als Folge des Krieges stellten für mich einen unnatürlichen und nur mit Waffengewalt gehaltenen Zustand dar. Für mich war klar, dass beide Teile wieder zusammen gehören. Doch je länger die Trennung dauerte und je dichter die Grenze wurde, desto geringer wurde im Westen das Interesse an den „Brüder und Schwestern“.

Die deutsche Wiedervereinigung markiert das Ende der Nachkriegszeit und steht aber auch am Beginn des Prozesses zur deutschen Einheit. Für mich war es daher selbstverständlich als Helfer beim Behördenaufbau in Thüringen mitzuhelfen. Ein Jahr war ich Mittler zwischen Ostbefindlichkeiten und Westdenken. Mein Bemühen um Verständnis und Verständigung trug mir bald die Bezeichnung Wossi ein (1991).

Die neuen Bundesländer haben sich mir stark über den Geruch erschlossen. Die Reichsbahn-Waggons im gemischten D-Zug rochen nach DDR-Bohnerwachs. Diesen Geruch begegnete man auch in Amtsgebäuden. Knatternde Zweitakter hinterließen stinkende Abgaswölkchen. Fabrikschornsteine rauchten filterlos und offenbarten, was produziert wurde. Hausbrand roch nach 50er Jahren im Westen und sorgte für gleichmäßiges Grau in den Städten. Ab und zu sah man noch eine rotflächige Hinterlassenschaft des Sozialismus – doch die vorherrschenden Farben des Sozialismus waren scheinbar grau und beige. Die Häuser zeigten sich so und oft auch die Menschen. Ältere Männer und Frauen hatten Vorliebe für Windjacken in diesen Farben (wer jugendlicher sein wollte trug blaue Jeansteile), viele Trabbis fuhren grau, beige oder blassblau. Grau, beige und braun waren Büros tapeziert (westliche Büros tapezierte man nie).

Ich vermisste in „Fünfneuland“ zwar die westliche Vielfalt an Farben oder Typen - ich lernte auch viel Neues kennen und schätzen, nicht nur Soljanka, Rostbrätel ..., sondern auch Aufgeschlossenheit und Herzlichkeit, aber auch menschliche Nähe – und ich sah drüben die selben Menschen wie im Westen, klug und fleißig, zweifelnd und besserwisserisch: deutsch.

Für mich kann es keinen 3. Oktober 1990 geben, ohne Trennung, ohne Ideologien, ohne Kriege, ohne Faschismus, ohne Weimarer Zeit, ohne 2. Reich 1871, ohne Deutschen Bund und ohne die Zeit vor 1806. Die Einheit von 1990 wäre blass, gäbe es nicht die historische Dimension. Für die Zukunft stellt der 3.10. auch eine Verpflichtung dar, aber nur vor dem Hintergrund des Geschehenen. Das Denkmal am Platz „Zur Deutschen Einheit“ kann dies alles erfüllen:

Zunächst und vordergründig als Denkmal mit dem klaren Bezug zur aktuellen staatlichen Einheit mit dem in der Stele sichtbaren Datum 3. Oktober 1990 – aber auch Mahnmal für die Zeiten davor und danach. Die Chancen sind da.

"Mein erster Tag auf der anderen Seite"
(Umfrageergebnisse, München/Denning, Sommer 2005)

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