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Wie war das eigentlich mit der 'Deutschen Teilung'? In meinem Schulatlas von 1963 gibt es 'Mitteldeutschland' und die 'Sowjetische Besatzungszone', aber keine DDR. Obwohl - wenn man eine Wiedervereinigung feiert, muss es zuvor wohl eine Trennung gegeben haben. Liegt aber schon 'lange' zurück, man erinnert sich kaum noch.

Ich versuche mal, mich zu erinnern und diese Erinnerungen in Gedankensplittern mit möglichst wenig Ironie niederzuschreiben. Einige Bemerkungen dürfen aber durchaus als Satire aufgefasst werden.

Teilung

Das erste Mal bemerkte ich etwas von der Deutschen Teilung im August 1961. Wir wohnten in Berlin (West) und aus dem nahen Eberswalde kam 14tägig eine ehemalige Nachbarin meiner Großeltern, um meiner Mutter beim Wohnungsputz zu helfen. Ab August 1961 kam sie dann nicht mehr.

Seit Mitte der 1970er Jahre fuhren wir fast jedes Jahr mit dem Auto zu einem Besuch bei der Verwandtschaft in Berlin (West) und übernachteten auch gelegentlich auf einem Berliner Campingplatz direkt an der 'Mauer'. Die deutsche Teilung erlebten wir dabei unmittelbar durch die Benutzung der so genannten 'Interzonenautobahn' Hirschberg/Rudolphstein - Berlin. Für mich ist sie ein Symbol der deutschen Teilung und Wiedervereinigung.

Vor der 'Wende', 1970er Jahre:

Autobahn München-Berlin, hinter Hof, kaum Verkehr, man fährt möglichst frühmorgens, um den Stau an der Grenze zu vermeiden. Letzte Tankstelle vor der Grenze, noch mal auftanken, damit man nicht in der 'Zone' tanken muss (DIE sollen von UNS keine Devisen bekommen, außerdem taugt das Benzin eh' nichts).

Autobahnkurve, starkes Gefälle, das Brückenrasthaus Frankenwald bei Hirschberg, dahinter die 'Zonengrenze': Nur ja richtig einordnen (Transit' - nicht 'Einreise DDR'!), sonst gibt's Scherereien. „Reisepässe und Fahrzeugpapiere“ - warten - auf einem Förderband bewegen sich Reisedokumente - weiter vorfahren. Kontrollhäuschen - „Grüß Gott“ - Grenzbeamter (sächsisch): „Wenn s'n sähn, grießn s'n von mir“ - „Wo fahrn se hin“ - „Schaun se mol her“ - „Kenn se nisch läsn, de Haltelinsche is do vorn“ - Stempel im Pass, Transitvisum eingelegt - weiterfahren.

DRÜBEN, leichte Beklemmung - Autobahn mit Schlaglöchern (was machen DIE eigentlich mit UNSEREM Geld ?) Geschwindigkeitsbegrenzung auf 100 km/h (wär‘ schön, wenn man die auch fahren könnte) - rechte Spur ist Trabbi-Spur (schnell vorbei, die stinken elendiglich). Nur aufpassen, dass man keinen Fehler macht, das kann teuer werden (oder landet man gleich in Bautzen? Es sollen ja schon einige Transitreisende verschwunden sein.). Unsere 'Meilensteine': 'Plaste und Elaste aus Zschopau', 'Fotomaterial aus Wolfen' (kennt man, ORWO-Film gibt's auch bei uns zu kaufen), der Geruch von Bitterfeld. Irgendwann Rast auf einem Autobahnrastplatz, idyllisch im Wald, nur nicht zu nahe bei den 'DDRlern' parken (die Vopos sind überall und man könnte flugs wegen Spionage verhaftet werden).

Berliner Ring (nur nicht verfahren!) - Grenzkontrollstelle Dreilinden, russischer Panzer auf einem Podest - sind wir zu früh da ? - dann wären wir zu schnell gefahren (könnte Ärger geben). „Grü.. - äh Guten Tag“ Grenzbeamter (preußisch): „Juten Tach“ - Passkontrolle - weiterfahren - aufatmen.

Campingplatz Berlin-Kladow: laut Stadtplan müsste hier doch gleich die 'Mauer' sein - vielleicht hinter den Büschen? - Erstaunen - die Begrenzung des Campingplatzes IST die 'Mauer' (wusste gar nicht, dass man da bis unmittelbar herankommt). Blick durch ein Loch in der Mauer: Ödland, betonierter Fahrstreifen, Wachtürme, Geländefahrzeuge, Grenzer. Nachts: ständig Fahrzeuglärm, Hundegebell, mitunter Schüsse (Kaninchenjagd?). Baden im See - auf der anderen Seite ist DRÜBEN, sieht aber alles sehr idyllisch aus, nur die Motorboote der NVA stören.

Kurz nach der 'Wende', um 1991:

Autobahn München-Berlin, hinter Hof, mäßiger Verkehr.

Autobahnkurve, starkes Gefälle, das Brückenrasthaus Frankenwald bei Hirschberg, darf man jetzt einfach weiterfahren? - hier muß doch mal die Kontrollstelle gewesen sein? - aha, dort drüben stehen noch einige Reste der Baracken und Überdachungen - weiterfahren.

(DRÜBEN) Freistaat Thüringen, leichte Unsicherheit - Autobahn immer noch mit Schlaglöchern, aber es wird daran gearbeitet (also DA verschwindet UNSER Geld!) Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 bis 60 km/h (Baustelle) - wenigstens geht es noch einspurig weiter - kaum noch Trabbis zu sehen (Aha, da ist wieder einer mit dem typisch klassischen Zweitakter-Geruch), lauter neue Mittelklassewagen mit neuartigen Kennzeichen. Nur aufpassen, dass man nicht geblitzt wird, das kann teuer werden (wenigstens landet man nicht mehr gleich in Bautzen!). Unsere 'Meilensteine', immer noch da: 'Plaste und Elaste aus Zschopau', 'Fotomaterial aus Wolfen' (kennt man, ORWO-Film gab's einst auch bei uns zu kaufen), der Geruch von Bitterfeld.

Irgendwann Rast auf einem Autobahnrastplatz, neu angelegt auf der grünen Wiese, mit Pommes-Stand und Dixi-Klohäuschen neben dem neu erschlossenen Gewerbegebiet.

Berliner Ring (wo ging's hier früher zur 'Hauptstadt der DDR'?). Dreilinden sparen wir uns, fahren über Staaken (vergammelte russische Kasernen) direkt nach Berlin-Kladow.

Campingplatz Berlin-Kladow: hier war doch irgendwo die 'Mauer' - vielleicht hinter den Büschen? - Erstaunen - keine Mauer mehr, sondern Maschendraht. Dahinter: Ödland, betonierter Fahrstreifen, Büsche, Spaziergänger, Biotope. Nachts: Jugendliche lärmen im Mauerstreifen (Grillparty?). Neuen See gefunden, gleich hinter dem Mauerstreifen, Naturschutzgebiet, bequem zu Fuß durch das neue Biotop zu erreichen.

Lange nach der 'Wende', ca. 2004:

Autobahn München-Berlin, hinter Hof, ziemlich viel Verkehr.

Autobahnkurve, starkes Gefälle, das alte Brückenrasthaus Frankenwald bei Hirschberg, uninteressant - drei Kilometer weiter gibt es ein neues, viel besseres, also weiterfahren. „Kinder, schaut, hier war mal die Grenze“ „Hä? Was für eine Grenze?“

Freistaat Thüringen, einwandfreie Autobahn, nur gelegentlich Baustellen, aber meistens Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 bis 100 (angeblich wegen Sicherheit). So gut wie keine Trabbis mehr zu sehen - schade, die waren doch so gemütlich anzusehen. Unsere 'Meilensteine' sind weg: keine 'Plaste und Elaste aus Zschopau' mehr und auch kein 'Fotomaterial aus Wolfen' (gibt es das eigentlich noch?), wann sind wir denn an Bitterfeld vorbeigefahren?

Irgendwann Rast auf einem Autobahnrastplatz, mit Großparkplatz, Großgaststätte und Großtankstelle neben dem immer noch nicht gebauten, aber bereits erschlossenen Gewerbegebiet.

Berliner Ring, Staaken (verfallene, leer geräumte Hausruinen, vielleicht waren das mal Kasernen).

Campingplatz Berlin-Kladow: Nebenan, hinter dem Maschendrahtzaun ein Naturschutzgebiet mit betoniertem Spazierweg der zum nahen See führt.

Also alles NORMAL.

Die so genannte Wiedervereinigung der so genannten 'DDR' mit der so genannten 'BRD' zu einem einfachen 'Deutschland' wird wohl erst dann vollendet sein, wenn sich niemand mehr aus eigenen Erlebnissen an die Trennung erinnern kann. Dann braucht man ein Denk-Mal um an diesen absurden Zustand erinnert zu werden.


"Mein erster Tag auf der anderen Seite"
(Umfrageergebnisse, München/Denning, Sommer 2005)

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